NÜRTINGER ZEITUNG und JAZZ PODIUM

JAN JANKEJE & HANS KUMPF
"BassClarinet"

Das war wirklich sonntägliche Klasse: zwei europäische Jazz-Phänomene im Nürtinger Kulturcafé ProVisorium. Da wirbelte es nur so im sprechenden Spiel mit Klang- und Rhythmusstrukturen, freien Improvisationen, Blues-Tönen, haucht ein differenziert, alles im Timing und Jazzfeeling par Excellenze.

Beide, Hans Kumpf und Jan Jankeje, sind bekannte Profis. Ihre Stimmung steuerte am gutbesuchten Sonntagmorgenkonzert das Publikum auf Höchstkonzentration. Die Fingerfertigkeit der beiden Jazzer ist ein Hexenwerk, nachgerade eine Hetzjagd auf Basssaiten und Klarinettenklappen, Ekstase und Erregtheit, Schreie und Schluchzer und dann wieder weiches, inniges Spiel auf der Klarinette.

Die Überblastechnik von Kumpf ist ausgefeilt und durch den Vielklang oft sphärenhaft. Er summt und singt ins Instrument, und es raunt mehrstimmig wie Weltraummusik. Durch permanente Atmung gelingen ihm ,,Orgelklänge'. Das Instrument tritt aus dem Schattendasein des Dixielandgedudels heraus in die Welt des ,,neuen Jazz". Die chromatischen Tonleitern kann er hinauf und herunterjubeln, weite Intervallsprünge kringelt er intonationsschön und wie gestochen nebeneinander hin, mit einer Atemtechnik, die Kenner zu würdigen wissen.

Kumpf hat weitere bewundernswerte Techniken. Er bläst auch ohne Mundstück, röhrt mit dem Mund urhaft in den Klarinettenhals, schlägt auf den Klappen derweil Rhythmusspuren und klemmt dann das Instrument unter den Arm, um nur mit dem Mundstück abfallende Klänge mit dem Atem zu steuern.

Bei diesen Klangexperimenten entsteht zwischen ihm und dem Bassisten eine Art Frage- und Antwortspiel, das fasziniert und zugleich einen Drive sondergleichen an den Tag legt. Der Bassist Jankeje klopft auf dem Bauch des Instruments im Dunkeldoping und, hellfarbig klingend, auf den Zargen zuckelnd, verschiedenste Trommelrhythmen. Man ahnt bekannte Jazzthemen, nimmt sie auf, lässt sie weiterschaukeln in neuen Improvisationen, und schon lugt das nächste Thema über Lippen und Saiten.

Im ProVisorium gibt's auch Kinderstimmen. ,,Mama' ruft es da musikalisch terz-abwärts und schon wird dieser helle Ruf aufgenommen und Gershwins ,,Summertime" draus. Ein phantasievoller Ideenspritzer, der auch gleich die Finger des Bassisten kitzelt. Auch er ist völlig in seinem Element. Er bringt den schnarrenden Klang des Kontrabasses zum Singen und Klingen.

Jankeje krabbelt und brabbelt mit seinen schnellen Fingern ein Prestissimo hin, quirlt einzelne Melodiefloskeln heraus. Er treibt mit Körper-, Arm- und Fingerakrobatik sein Spiel mit dem Riesentier von Kontrabass, als wär' es außerdem noch ein Schaukelpferd. So swingt er hin und her und hinüber zum Partner, um ihn musikalisch zu locken und zu lupfen. Er ist so fix, dass er mit zwei Fingern während des Spiels einen Wirbel dreht, um sein Instrument umzustimmen, gelassen und schmunzelnd spielt er dabei weiter - ein As auf dem Bass. Das vielseitige Künstlertum Hans Kumpfs ist auch aus der großen Farbfotoausstellung, die man im ProVisorium anschauen könnte zu entnehmen. Fast achtzig Fotos von Jazzgrößen sind mehr als ein Andenken wert: Dave Brubeck, der mit ,Take five" Weltruhm erlangte, die Stimmakrobatin Laune Anderson, John McLaughlin, der Rockjazzgitarrist, der mit seinem legendären Mahavishnu Orchestra Weltruhm erlangte und Jazz und Rock verschmolz. Die Bilder, um hier nur einige wenige Zeitzeugen zu nennen, sprechen genauso viel Lebendigkeit aus wie sein Spiel. Nach der Pause stehen die beiden wieder da wie zwei Bäume, stark und mächtig die Körper, während manchmal die gespielten Töne so geräuschhaft rascheln wie die Schnelligkeit eines plötzlichen Windstoßes. Und dann schießen sie wieder Töne ab, die wie spitze Schreie wirken und wie surrende Pfeile - Free-Jazz-Elemente. Gute Musiker.

Lucie Steiner